Vergangenheit ist, wenn es nicht mehr weh tut.
Mark Twain
Was ist ein Trauma?
Ein Trauma ist eine Reaktion des Körpers, um emotional zu belastende und zu bedrohliche Erlebnisse erst einmal zu „entsorgen“, wenn die herkömmlichen Bewältigungsstrategien versagen und Kampf und Flucht nicht mehr möglich sind. Dann bleibt dem Gehirn nur noch übrig sich in Sekundenbruchteilen von dem Reizüberfluss zu distanzieren (freeze). Die überwältigenden und unverarbeiteten Eindrücke werden fragmentiert und unkoordiert in verschiedenen Gehirnarealen und Sinnesebenen abgespeichert.
Das Trauma wird oft (Typ 2) nicht erinnert, ist aber seelisch und körperlich auf allen Sinnesebenen abgespeichert.
Trauma Typ 1: Schocktrauma
Kurzfristige und unerwartete, meist einmalige Erlebnisse wie Naturereignisse (Erdbeben, Tsunami etc.), Unfälle, plötzlicher Tod eines nahen Verwandten, Überfälle, Entführung.
Aber auch traumatische Arztbesuche, Abtreibungen und Scheidung der Eltern können eine Schocktrauma auslösen.
Traumata Typ 2:
Entwicklungstrauma
Anhaltende und wiederholte Erlebnisse wie: Gewalt, Misshandlung, körperlicher Missbrauch.
Aber oft sind es keine Katastrohen, die Menschen traumatisieren. Vernachlässigungen über einen längeren Zeitraum in der Kindheit, emotionale Verwahrlosung, ungestillte Bedürfnisbefriedigung des Säuglings in den ersten 1-2 Lebensjahren, zu viel Druck, emotionaler Missbrauch, eine psychisch kranke Mutter oder ein ängstlich-vermeidender oder ambivalent -unsicherer Bindungsstil. All das reicht aus um in der kindlichen Psyche Spuren von Verunsicherung, Vereinsamung und Ohnmacht zu hinterlassen. Ängste, Abhängigkeiten, Beziehungsproblematiken, Autonomieprobleme können daraus resultieren, auch eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung.
Sekundärtrauma
Sehr oft bei Menschen in helfenden Berufen anzutreffen: Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte, Rettungshelfer, Unfallzeugen, Menschen die Zeugen von Gewalttaten wurden. Aber auch Therapeuten können durch die Schilderungen von Klienten cotraumatisiert werden.
Transgenerationales Trauma
Wenn Eltern oder Großeltern z.B. im Krieg traumatische Erlebnisse hatten, diese nicht verarbeiten konnten wurden die Erlebnisse abgespalten. Das Überleben stand im Vordergrund, Grausamkeiten gehörten zum Alltag und Traumatherapie gab es nicht im Krieg. Oft höre ich: „das war doch normal“. Diese unverarbeiteten und nicht integrierten Erfahrungen werden dann unbewusst durch die traumatisierten Eltern nonverbal weitergegeben und äußern sich oft in wenig empathischem Umgang mit den eigenen Kindern. Oder bestimmte Gefühle wie Wut oder Angst werden nicht gelebt und auch bei den eigenen Kindern abgelehnt oder unterdrückt, um nicht mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Die belastenden Erfahrungen zeigen sich auch in Alpträumen, Phantasien, einem unwirklichen Selbst-Erleben, Frühparentifizierung, Fehlidentifikationen, einem Gefühl von Überlebens-, oder Verantwortungsschuld. Nicht integrierbare Impulse und Bilder aber auch unerklärbare Ängste oder Zwänge oder ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis können die Folge sein.
Wie spürt man ein Trauma?
Unterschiedliche Symptome können auftreten: Ein Gefühl von betäubt und empfindungslos Sein, Zittern, eine Art Gefühl der Gefühllosigkeit, Amnesien, Depersonalisationserlebnisse, Depression, Angst- und Panikattacken, somatische und somatoforme Erkrankungen, Flashbacks, Gefühle von Schuld, Scham und Wut, Liebesunfähigkeit, Bindungsschwierigkeiten, Alpträume, sozialer Rückzug, keine Selbstliebe, Suchterkrankungen stofflicher und nichtstofflicher Art.
Wie behandelt man ein Trauma?
Das Wichtigste ist, den eigene Körper wieder angenehm spüren zu lernen, ihn wieder bewohnen zu wollen und in die Selbstregulation zu kommen, um nicht den Triggersituationen ohnmächtig ausgeliefert zu sein, sondern handlungskompetent zu werden. Ein Trauma ist nicht über Sprache lösbar, da es im Stammhirn und limbischen System, gespeichert ist und der Neocortex, unser Denkerhirn, keinen Einfluss darauf hat. Traumata und Affektregulation die in den ersten 3 Lebensjahren, der nicht-kognitiven Phase stattfinden sind ohnedies nicht über den Neokortex beeinflussbar, da sie im impliziten Gehirn gespeichert sind und wir in dieser Lebensphase rechtshemisphärisch ( Intuition und ganzheitliches Erfassen) reagieren. Traumata werden „verkörpert“ und sie werden im Stammhirn gespeichert, da es ums Überleben geht.
Die klassische Traumatherapie ist in 3 Phasen eingeteilt:
- Stabilisierungsphase
- Phase der Traumaexploration/Traumakonfrontation
- Integrationsphase
Stabilisierungsphase
Die Stabilisierungsphase ist der erste Schritt in der Therapie und meistens die zeitaufwändigste, weil wichtigste Zeit. Neben dem Aufbau einer guten und vertrauensvollen Beziehung zwischen Ihnen und mir und dem Verständnis für die eigene Symptomatik lernen Sie auch die Zusammenhänge über Folgeerkrankungen und weitere Symptome. Mithilfe vieler Körper-, und Imaginationsübungen schaffen Sie sich selbst inneren und äußeren Halt, lernen mehr Selbstfürsorge, verbesseren Ihre innere Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung und lernen die Regulation der inneren Spannung und Gefühle, mehr ICH Stärke. Ich arbeite mit den Methoden der Polyvagaltheorie, Modulen der NARM Methode, Embodimentübungen und psychoimmaginativ.
Klare Regeln und Vereinbarungen im Umgang mit inneren Krisen helfen Ihnen zu einem autonomen Umgang mit kritischen Situationen, so dass Sie wieder lernen selbst zu handeln und dass Sie spüren, dass das Trauma Sie nicht beherrscht. Sie bekommen wieder Zugang zu innerer Stärke und Bewältigungsstrategieen, die Ihnen ein Stück Sicherheit und Würde zurück gibt.
Dies alles muss über einen langen Zeitraum geübt, vertieft oder erst erlernt werden, wobei Sie eine große Eigenverantwortung außerhalb der Sitzungen haben, indem Sie die erlernten Übungen weiterhin dauerhaft trainieren. Z.b.das Erarbeiten des Sicheren Ortes, Ego-Sates, Innere- Kind Arbeit, Bildschirmtechnik, Imaginationsreisen und Tresorübung, um nur einige Module zu nennen. Vor allem aber alle Übungen die der Selbstregulation helfen sollten dauerhaft trainiert werden. Die Dauer der Stabilisierungsphase ist individuell verschieden und hängt auch von der Art und dem Ausmaß des Traumas ab. Monotraumata sind schneller zu bearbeiten als Traumata, die im Kleinkindalter und über einen längeren Zeitraum stattgefunden haben. Je früher und schwerwiegender die Traumatisierung war und die damit verbundenen Verletzungen für Körper, Geist und Seele, desto länger dauert die Zeit der Stabilisierung und desto wichtiger ist der Beziehungsaufbau um alte Muster durch neue Erfahrungen auszutauschen.
Traumaexploration und Traumakonfrontation
Die Traumaexploration und Traumakonfrontation kann nur stattfinden, wenn Sie stabil sind. Nicht immer ist sie notwendig und sinnvoll. Wenn Sie durch die Stabilisierungsphase bereits Symptome loswerden konnten und sich wohl, sicher und stabil fühlen ist es nicht zwingend nötig sich mit dem Trauma zu konfrontieren. In keinem Fall wird es gemacht, wenn Sie seelisch zu schwer verletzt oder instabil sind, da es zu einer Retraumatisierung kommen kann. Im Falle einer Traumaexploration wird die Vorgehensweise in jedem Fall mit Ihnen abgestimmt und Sie werden über alle Schritte und Maßnahmen vorab informiert.
Ich arbeite mit der bindungsorientierten körperpsychotherapeutischen Methoden SEI (Somatische Emotionale Integration ) und mit Elementen aus EMI (eye movement integration), EMDR ( eye movement desensitization and reprocessing), Brainspotting, EFT (emotional freedom technic ) und dem Comprehensive Ressource Modell. EMI, EMDR und brainspotting sind neuronale Methoden, die Erinnerungen im Stammhirn, limbischem System und Neokortex via Augenbewegungen vernetzen. Der/die KlientIn wird indirekt nochmals mit dem Trauma konfrontiert, um das Erlebte verarbeiten und in die Vergangenheit einordnen zu können, ist aber real im Hier und Jetzt. Das Ziel ist, die in den verschiedenen Hirnarealen versprengten und abgespeicherten Traumainformationen wieder zu verbinden und somit dem Bewusstsein zu vermitteln, dass es Gefühle und Erlebnisse der Vergangenheit waren. Das Trauma wird als eine Art „alter Film“ abgespeichert, den der/die Klient/In im Hier und Jetzt aus der Distanz betrachten kann ohne in die Traumareaktionen zu verfallen.
Innerhalb dieser Phase kann es sein, dass Sie immer wieder in die Stabilisierungsphase geleitet werden, um nachzubessern und um die Stressbelastung zu senken. Durch diese innere Pendelbewegung bekommen Sie mehr Selbstregulation und ihr Toleranzfenster kann sich weiten. Welche Übung wann eingesetzt wird, hängt sowohl von Ihnen als auch der Art des Traumas/der Traumata ab. Oft lösen sich einzelne Traumata aber auch schon auf, wenn ein oder zwei andere bearbeitet und integriert wurden aufgrund der neuronalen Vernetzungen.
Integrationsphase
Die Integrationsphase ist die Zeit, in der das Erlebte in Ihre individuelle Lebensgeschichte mit Empathie für sich selbst eingeordnet wird. Anerkennen was war. Aufkommende Gefühle wie Trauer, Wut über die Situationen, Verlustgefühle um verlorene Zeit, oder Verlust von körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten werden bearbeitet. Die größte Hürde für Sie wird es sein sich mit diesen Erfahrungen auszusöhnen, sie zu akzeptieren und vielleicht auch vergeben zu können. Vergebung bedeutet an dieser Stelle nicht, ein Bagatellisieren des Geschehenen, ein „klein“Reden oder Rechtfertigen. Vergebung bedeutet in die eigene Verantwortung zu gehen. Sie ist Macht und Größe des Opfers. Der Betroffene geht damit in die eigene Verantwortung und Handlungskraft und schafft es dadurch sich vom traumatischen Geschehen und dem Täter/den Tätern zu distanzieren.
Und es geht um eine Neuausrichtung des eigenen Lebens und die Verwirklichung von Zielen. Wie soll die Zukunft gestaltet werden. Zu welchem Menschen möchten Sie sich weiterentwickeln, welche ungelebten Fähigkeiten können Sie noch ausbilden, welche neuen Wege wollen Sie einschlagen mit neuer Stärke, Kraft und Vision.
Eine 74-jährige Klientin sagte mir einmal im Zuge dessen: „Das Leben ist erst vorbei, wenn ich tot bin. Bis dahin bin ich noch fähig zu lernen und mich zu verändern!“